Etrusker-Hohlwege rund um Pitgliano

Hohlweg bei Pitigliano mit Mittelrinne und konkav ausgehauener mittelalterlicher Verbreiterung im untern Bereich.

Vor 300.000 Jahren explodierte ein Vulkan in Italien. Seine Caldera stürzte ein und hinterließ den Bolsenasee. Beim Ausbruch wurde die südliche Toskana und das nördliche Lazio mit einer meterdicken Tuffsteinschicht bedeckt.

Tafel im Archäologischen Museum von Pitigliano. Rechts der Bolsenasee umgeben von der orangeroten Fläche mit Tuffstein

Ab 800 v. Chr. erschienen in dem Gebiet die Etrusker. (Vermutlich waren sie schon länger dort, aber als die indogermanische Schnurkeramiker-Kultur ganz Europa übernahm, übernahmen diese Indogermanen hier ausnahmsweise die vorgefundene Sprache und Kultur. Die Etrusker sind also womöglich – wie die Räter, die Insel Lemnos und die Basken – ein Relikt der uralten neolithischen, vor-indogermanischen Kultur.) Ihre Orte bauten sie auf exponierten Höhenterrassen, die oft schon vorher von anderen Kulturen bewohnt waren. Zwischen ihren Orten bauten sie vergleichsweise schmale Wege. Diese Wege hackten sie über weite Strecken ein bis zwei Meter tief in den Tuffstein. Warum sie das taten ist unklar. Womöglich wollten sie die Möglichkeit schaffen, neben den Wegen Grabkammern anzulegen, die bei jedem Vorbeigehen an die Verstorbenen erinneren.

Die Wege werden teilweise bis heute benutzt. Das jahrhunderte lange Befahren schliff die Wege immer tiefer in den weichen Tuff. Etwa alle 20 Jahre mußte ein ausgeschliffener Weg überarbeitet werden, wodurch er jeweils 30 cm tiefer einschnitt.

Beschilderung am Wegesrand eines Hohlweges bei Pitigliano. Es zeigt, wie sich der Weg durch jede Kulturschicht immer tiefer grub.

Die Hohlwege verbanden dabei 5 wichtige etruskische Orte in dieser Tuffsteinregion. Diese Orte wurden zudem mit einem der Hauptorte verbunden: Vulci.

[Quelle: GoogleMaps]

Bauweise

Die Etrusker gruben oder hackten Löcher in den Tuffsteinboden und schlugen darin trockene Holzscheite ein. Durch einfaches Wässern dehnte sich das Holz und sprengte Felsstücke heraus. Diese Einschnitten wurden mit der Spitzhacke geschliffen und geglättet.

Mit dieser Methode wurden anfangs auch Gräber angelegt, die nur von oben über Treppen zugänglich waren.

San-Giuseppe-Grabkammern westlich von Pitigliano (7. – 6. Jhr. v. Chr.)

Erst später wurden die Hohlwege gegraben, wobei (z. B. in der Cavone die Poggio Felceto bei Sovana) die Grabräume vom Hohlweg zweigeteilt wurden. Daher vermutet man das Alter der Hohlwege auf das 5. Jhr. vor Chr. oder jünger.

Die oberen Felswände, die noch von den Etruskern bearbeitet wurden, sind meist sehr glatt geschliffen. Die unteren mittelalterlichen Bereiche sind hingegen eher grob gehauen. Sie sind zudem oft konkav erweitert, da die mittelalterlichen Karren zu breit waren für die Hohlwege.

Natürlich sammelt sich in den steinernen Rinnen das Wasser. Daher wurden Abflußrinnen gegraben in der Wegmitte oder am Rand.

Hohlweg mit Seitenrinne und Trittstufen für Maultiere.
Hohlweg bei Pitigliano

Sakrale Bedeutung?

Einige der Hohlwege scheinen als Wege zu Gräbern begonnen zu haben. Die Etrusker haben an verschiedenen Stellen auch religiöse Symbole eingekratzt. Gleichzeitig stellen die Hohlwege auch die kürzeste Verbindung zwischen zwei Orten dar.

Nahe der Orte fällt die enorme Fülle an Grabräumen auf, die von den Hohlwegen abgehen. Ob die Wege deswegen gegraben wurden oder man die Grabkämmern praktischerweise an den Hohlwegen grub, kann man nicht sagen.

Mehrere Grabraumeingänge nebeneinander bei Pitigliano

Im Mittelalter waren die (weiterhin praktischen) Wege der Bevölkerung unheimlich, was sie durch weitere (diesmal christliche) Felsritzungen, Heiligengemälden und kleinen Altären zu kompensieren suchten.

Die Grabräume

Die Grabräume waren offenbar akkurate Abbilder der Wohngebäude. Die etruskische Architektur wandelte sich von ovalen Rundhütten mit Schilfdach über mehrere Stufen bis hin zu Holzbalkenkonstruktionen mit Kassettendecken und Ziegeldächern. Entsprechend wandelten sich auch die Grabräume. Die aufwändigeren späteren Gräber scheinen griechische Tempel zu immitieren – sie sind aber Nachbildungen der Wohnhäuser.

Die Grabräume können beachtliche Ausmaße haben und sogar aus mehreren Zimmern bestehen. Einige haben Mittelsäulen. Oft sieht man Nischen an den Rändern.

Grabraum mit Deckenrandstruktur

In Stadtnähe werden die ehemaligen Grabräume als Weinkeller, Werkstätten oder Garagen genutzt: